VIRTUELL – ECHT JETZT?

Um positive Erlebnisse zu schaffen, müssen Unternehmen menschliches Verhalten in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten rücken. Nur wer Kundenverhalten versteht, kann Interaktionen so gestalten, dass sie wertstiftend sind. Gerhard Fehr, Verhaltensökonom und Inhaber von Fehr Advice, über Marken im digitalen Raum.
Gerhard, gilt Apple heute noch als DIE identitätsstiftende Marke?

In der Schweiz ist DIE identitätsstiftende Marke die Migros und nicht Apple. Weil die Migros es geschafft hat, über die letzten 40 Jahre eine Wertebasis aufzubauen, mit der sich die Durchschnittsschweizerin stark identifizieren kann. Die Grundfrage einer Marke ist immer, ob sie beziehungsfähig ist. Ist das Unternehmen bereit, etwas zu geben, ohne unmittelbar etwas zurückzubekommen? Jeder, der in seinem Leben Beziehungen eingegangen ist, weiss: das ist die Basis.

 

Geben, nicht immer nur nehmen. Nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch als Markenstrategie nicht verkehrt. (Bild: Unsplash)

Was ist passiert, seit Marken sich in digitalen Räumen präsentieren?

In den digitalen Räumen gibt es gewisse Grundprinzipen, um erfolgreich zu sein. Die meisten Unternehmen sind allerdings analog, es sei denn, sie sind eine digital only company wie Amazon. Wir leben nur analog. Es gibt kein digitales Leben. Wir befinden uns vielleicht in digitalen Räumen, aber das wirkliche Leben ist analog. Nur die Kombination aus digitalen und analogen Räumen, wie sie sich ergänzen und unterstützen, führt den Menschen optimal durch das Unternehmen.

Nun eröffnet Amazon ebenfalls analoge Shops. Gilt das einfach als Werbegag?

Nein, ich glaube, wenn Amazon weiterwachsen möchten, wird es entscheidend sein, dass sie die analogen Räume bespielen.

Warum?

Es gibt gewisse Produkte und Dienstleistungen, die man nur analog kauft – alle Trusted Goods, also Vertrauensgüter, die ich schwer vergleichen kann, wie zum Beispiel Lebensmittel. Wenn ich möchte, dass diese in Zukunft digital gekauft werden, muss ich sie auch analog anbieten. Erfahrungsräume müssen analog erlebbar sein.

Geht es beim Besuch von analogen Räumen nicht auch um das Bedürfnis nach einem Marktplatz?

Ja, da wirst du ohne Ende transaktionalisiert. Warum gehen Leute auf einen Marktplatz? Wir haben das analysiert: Sie gehen nicht wegen der Angebotsfülle hin, sondern weil es Ambiente hat, weil man die Produkte probieren und gleichzeitig Kollegen trifft und tratschen kann. Der Markt ist ein Clearinginstrument und wir Menschen sind soziale Wesen und wollen zusammenkommen. Und in den digitalen Welten beschäftige ich mich primär nur mit mir selber.

Also kaufe ich sozusagen das Souvenir vom Erlebnis?

Ja, das Andenken, das Symbol. Einfach einen Online-Shop zu machen, bringt gar nichts. Wenn du kein Engagement hast, weil es in der digitalen Welt so viele Angebote gibt, gibt es keinen Grund, den Online-Shop zu besuchen. 

 

Der Einkauf als Souvenir des Erlebten. (Bild: Unsplash)

 

Wir danken Gerhard Fehr für dieses Interview. Fehr Advice ist Partnerunternehmen von Aroma und schafft mit evidenzbasiertem Wissen über menschliches Verhalten nachhaltige Lösungen für die wichtigen Fragen unserer Zeit. Zugang zur digitalen Behavioral Economics Community gibt’s hier: Digital HUB.

 

Gerhard Fehr: «Die Frage ist: wie kann ich online ein Erlebnis schaffen, in Kombination mit den analogen Welten – das ist die spannende Herausforderung dieser Zeit.» 

 

Isabel Jakob ist unsere Blog-Agentin, jagt gerne Trends nach und weiss, wie der Hase läuft. In Sneakers der Farbe Off White.

 

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